Der Klimawandel ist die entscheidende Herausforderung unserer Zeit und erfordert Veränderung im Bereich Nachhaltigkeit in allen Branchen, in einem Tempo und Ausmaß wie zuletzt während des technologischen Umbruchs zur Zeit der Industriellen Revolution. Während die Dringlichkeit eines nachhaltigen Wandels allmählich auf der Tagesordnung von Unternehmen angekommen ist, blockiert die Frage nach der entsprechenden Finanzierbarkeit weiterhin den materiellen Fortschritt. Die Internationale Agentur für Erneuerbare Energien (IRENA) schätzt, dass rund 44 Billionen US-Dollar in erneuerbare Energien investiert werden müssen, um die Pariser Klima- und Entwicklungsziele im Rahmen der Agenda 2030 zu erreichen.
Um privates Kapital aus umweltschädlichen Wirtschaftstätigkeiten in solche zu lenken, die die Europäische Union (EU) für umweltfreundlich hält, haben politische Entscheidungsträger:innen ehrgeizige Vorschriften für nachhaltige Finanzen als treibende Kraft gewählt. Neue Pflichten zur Berichterstattung auf EU-Ebene, wie die Offenlegungsverordnung, die Taxonomie-Verordnung und die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD), sollen für Transparenz sorgen und die zur Bewertung der Nachhaltigkeit von Investments benötigten Unternehmensdaten bereitstellen.
Nachhaltigkeitsreporting für den Mittelstand
Die erste Welle von Berichterstattungspflichten richtete sich vor allem an große Unternehmen und Finanzinstitute. Der Mittelstand, die Mehrheit der Unternehmen in Europa ist ebenfalls davon betroffen – insbesondere in Deutschland, einem Land, das für seinen Mittelstand bekannt ist. Er macht den größten Teil der Wirtschaftsleistung des Landes und fast 60 % der gesamten Beschäftigung aus.
Erweiterte Pflichten und gestaffelte Umsetzung
Seit Inkrafttreten der CSRD in 2023 nimmt diese, als Nachfolgerin der CSR-Richtlinie, ein breiteres Spektrum von Unternehmen in den Blick. Die Zahl der zum Nachhaltigkeitsreporting verpflichteten Unternehmen stieg damit von 11.000 auf 55.000 europaweit an. Das sind über 75 % des Gesamtumsatzes der Unternehmen in Europa. Diese Berichtspflicht betrifft alle öffentlichen und privaten Unternehmen, die mindestens zwei von den drei folgenden Anforderungen erfüllen:
– 250+ Mitarbeitende
– mehr als 50 Millionen Euro Umsatzerlöse
– mehr als 25 Millionen Euro Bilanzsumme
Die Umsetzung der CSRD erfolgt in Phasen. Ab 2024 müssen die größten Unternehmen berichten, während die Berichtspflichten für andere Unternehmen, einschließlich KMU, ab 2025 gelten. Bis 2026 müssen die meisten betroffenen Unternehmen Berichte vorlegen.
Berichterstattung über die gesamte Wertschöpfungskette
Unternehmen müssen auch die Auswirkungen auf die gesamte Wertschöpfungskette, einschließlich vorgelagerter und nachgelagerter Aktivitäten, berichten. Dies betrifft auch Unternehmen, die selbst nicht direkt berichtspflichtig sind, aber Teil der Lieferkette eines berichtspflichtigen Unternehmens sind .
Wie können mittelständische Unternehmen diese Herausforderungen bewältigen?
Mit ChatGPT erobert KI die Geschäftswelt im Sturm, und die ESG-Analyse zur Evaluation der betriebsinternen Maßnahmen hinsichtlich Umwelt (Environment), Soziales (Social) und verantwortungsvoller Unternehmensführung (Governance), wird keine Ausnahme sein. Die Anwendung von ChatGPT auf ESG-Anwendungsfälle funktioniert jedoch in der Regel nicht – die KI halluziniert und kann nicht mit den neuesten Vorschriften und Rahmenwerken Schritt halten. Durch die Identifizierung der richtigen Anwendungsfälle und die Nutzung von Techniken wie Retrieval Augmented Generation (RAG), wobei die Stärken von generativer und abfragebasierter KI kombiniert werden, und domänenspezifischen Eingabeaufforderung wird eine neue Effizienz für ESG-Teams entstehen.
Hier sind einige der wichtigsten ESG-Herausforderungen, mit denen Unternehmen konfrontiert werden und wie KI-Modelle angepasst werden können, um sie zu bewältigen.
Lieferkettenanalysen
Das Gesetz über die Lieferkette betrifft einen großen Teil der deutschen Wirtschaft, da Deutschland stark im verarbeitenden Gewerbe ist. Die Globalisierung hat den Umfang und die Vielfalt der Lieferketten massiv erhöht, wodurch gleichzeitig die Herausforderungen an eine effektive Analyse der Lieferketten gestiegen sind. Es ist schwierig, genau zu wissen, wie Ihre Lieferanten ihr Geschäft betreiben, welche Standards sie vorgeben einzuhalten und tatsächlich einhalten – und sie dazu zu bringen, zahlreiche unternehmensspezifische Fragebögen auszufüllen.
Mit KI werden mittelständische Unternehmen in der Lage sein, große Mengen von Lieferantendaten effektiv zu sortieren und spezifische Fragen zu beantworten, indem sie vorhandene Daten auf neue Weise verarbeiten. KI kann dazu verwendet werden, öffentlich zugängliche Informationen auszuwerten, die Lieferanten möglicherweise nicht zur Verfügung stellen, wie z.B. Erwähnungen auf Nachrichten-Websites oder öffentliche Verstöße. Die KI kann von Unternehmen auch zum Ausfüllen von Fragebögen verwendet werden, die Kunden ihnen zusenden, indem sie bestehende Datenspeicher durchforstet, um sofort die richtigen Informationen zu finden.
Weitere Informationen zur Nachhaltigkeit im produzierenden Gewerbe und Beispiele von Unternehmen, die sich digitaler Lösungen zur Dokumentation ihrer Prozesse bedienen, finden Sie auch in der Sonderausgabe des Mittelstand-Digital Magazins WISSENSCHAFT TRIFFT PRAXIS.
Datenverfügbarkeit und interne Kenntnisse
Mittelständische Unternehmen haben meist begrenzte Ressourcen, häufig benötigen sie weitere Beratung zu ihren Nachhaltigkeitsrisiken und -verantwortlichkeiten, zudem offenbaren sich ihnen oft noch ESG-Datenlücken. Daher ist ein frühzeitiges Engagement der Schlüssel, um für das bevorstehende Nachhaltigkeitsreporting gewappnet zu sein.
Wenn die notwendige Datenerhebung frühzeitig integriert wird, erhöht sich die Wahrscheinlichkeit, dass Mittelständische Unternehmen vor 2025 die richtigen Daten erhalten. Durch eine KI können komplexe Themen wie die ESG-Regulierung vereinfacht und entsprechend vorbereitete Unternehmen durch den Prozess geführt werden. Zusätzlich sind KI-Modelle auch in der Lage, interne Daten mit externen Anforderungen zu vergleichen (z. B. interne Richtlinien im Vergleich zu den EU-Minimum Safeguards) und KMUs dabei zu helfen, Datenlücken sofort zu identifizieren.
Interne Kapazitäten
Die Aufgaben von ESG-Teams wachsen überproportional zu den ihnen zugewiesenen Ressourcen. Aufgrund ihrer Fähigkeit Aufgaben mit einem hohen Datenvolumen übernehmen zu können, verringert eine KI die Arbeitsbelastung von ESG-Teams, gleichzeitig bietet sie eine konsequente und gründliche Ausführung.
Die intelligente Integration von KI an verschiedenen Stellen Ihres ESG-Prozesses kann zu enormen Zeiteinsparungen führen – vorausgesetzt, die richtigen Bereiche werden identifiziert und der Mensch bleibt zur Überprüfung der Ergebnisse im Spiel.
Datengranularität
Für eine zuverlässige ESG-Analyse sind die Datengranularität und ein dynamisches Datenmanagement unverzichtbar. Die Fähigkeit von KI, die genauen Nachhaltigkeitsdaten-Quellen zu identifizieren und die Suche nach ESG-Daten kontinuierlich zu aktualisieren, ermöglicht es Unternehmen, granulare Daten zentral zu speichern, ohne immer wieder Dokumente erneut lesen zu müssen. Da die Berichterstattung jedes Jahr neu anfängt, kann dieses dynamische Datenmanagement immer wieder erhebliche Zeitersparnisse generieren.
Fazit
Grundsätzlich kann eine KI die eigenen ESG-Teams in die Lage versetzen, den wirtschaftlichen Wandel noch mehr zu beschleunigen. Inmitten dieser Aufregung ist es wichtig, realistisch zu sein und Bedenken im Zusammenhang mit KI zu berücksichtigen:
Erstens sollten Prozesse durch KI nicht automatisiert, sondern erweitert werden, sodass der Mensch im Spiel bleibt und die relevanten Ergebnisse zuverlässig sind. Zweitens sollte der Datenschutz in jede Anwendungen integriert werden – etwas, das auch von den großen Sprachmodellanbietern selbst angestrebt wird.
Diese Bedenken sollten Sie nicht davon abhalten, mit der Arbeit zu beginnen, sondern stellen wichtige Faktoren dar, um mögliche digitale Lösungen umfassend bewerten zu können. Eine frühzeitige Implementierung von KI in das Nachhaltigkeitsreporting Ihres Unternehmens trägt potenziell zu einem späteren Wettbewerbsvorteil bei und unterstützt beim Aufbau eines Wissensvorsprungs über zukünftige technologische Entwicklungen in diesem Bereich. Wenn Sie KI-Modelle für ESG in Aktion sehen möchten, können Sie einige unserer Modelle hier kostenlos testen.
Sie möchten mehr zum Thema erfahren? In unserer zweiteiligen Lunchbreak am 29.11.23 und 6.12.23 spricht Tobias Sparwasser Soroka vertiefend zu relevanten Aspekten des Nachhaltigkeitsreportings für kleine und mittelständische Unternehmen. Zur Anmeldung geht es hier.
Autor: Tobias Sparwasser Soroka / Briink Intelligence GmbH