Im Januar fand der Neujahrsempfang von B.A.U.M. e.V. statt, bei dem den Mitgliedern die Vorhaben des Vereins für dieses Jahr mitgeteilt wurden – können Sie uns einen Einblick in die für mittelständische Unternehmen relevanten Vorhaben geben?
In diesem Jahr haben wir das Schwerpunktthema Governance von Nachhaltigkeit gesetzt, weil wir ein Stück weit über die letzten Jahre auch darauf gestoßen sind, dass sich die Verantwortungsstrukturen für Nachhaltigkeitsmanagement in Unternehmen stark verändert haben. Wir sehen es ja durch die Corporate Sustainability Reporting Directives (CSRD): Die Verankerung im Lagebericht zeigt, dass Nachhaltigkeitsmanagement und die dazugehörige Berichterstattung mittlerweile für Vorstände sowie Aufsichtsgremien relevant werden, aber auch für Aufsichtsbehörden und zunehmend auch in Bezug auf das Lieferkettensorgfaltsgesetz. Dadurch rutscht dieses Thema in der Hierarchie der Unternehmen immer weiter nach oben, und das verändert gleichzeitig die Rolle der Nachhaltigkeitsmanager:innen, aber natürlich auch die Rolle anderer Akteure, wie eben die der Vorstände und auch der Aufsichtsräte. Genauso damit verbunden sind die Anforderungen an diese Gremienmitglieder, sodass sie ein Mindestmaß an Kompetenz zu Themen der nachhaltigen Entwicklung besitzen sollten.
Auf der anderen Seite nehmen wir auch wahr, dass es im politischen Diskurs sehr lebhaft zugeht, jetzt wo das Thema präsenter ist. Daher schauen wir auf das Thema Governance nach dem Prinzip „Follow the Money“ – was ja mittlerweile auch schon ein beliebter Hashtag geworden ist in Bezug auf Lieferketten und Lieferkettenverantwortung. Das beobachten wir auch bei der Finanzierung von NGOs, weil eben unterschiedliche Geschäftsmodelle existieren. Deshalb stellt sich für uns immer wieder die Frage, ob die Akteurinnen und Akteure, die nun mal konstruktive Kräfte für nachhaltiges Wirtschaften sind, eigentlich finanziell hinreichend gut aufgestellt sind. Schließlich müssen sie in der Lage sein, mit den größeren Akteur:innen, die häufig nicht unbedingt die großen Promotoren für Nachhaltigkeitsmanagement und Nachhaltigkeitspraxis sind, wirklich den Wandel voranzutreiben.
Daher rührt auch bei uns im B.A.U.M.-Netzwerk das starke Bedürfnis ein Level Playing Field zu erreichen, weil wir eben auch viele Pionierunternehmen dabeihaben, die dieses Thema seit vielen Jahren betreiben. Im Gegensatz dazu gibt es noch viele Unternehmen, die sich bisher noch unter den Offenlegungsanforderungen der Gesellschaft wegducken. Diese Unternehmen müssen nun endlich unter Druck geraten und ähnliche Anstrengungen unternehmen, damit auch hier faire Wettbewerbsbedingungen für alle Marktteilnehmer:innen entstehen. Aus unserer Sicht wäre der nächste Schritt daher eine sozial-ökologische Marktwirtschaft auf Basis rechtsstaatlicher Prinzipien sowie eine anregende Rahmensetzung für nachhaltiges Wirtschaften.
Aus unserer Sicht wäre der nächste Schritt daher eine sozial-ökologische Marktwirtschaft auf Basis rechtsstaatlicher Prinzipien sowie eine anregende Rahmensetzung für nachhaltiges Wirtschaften.”
Wie bewerten Sie das nachhaltige Wirtschaften und die dazugehörige Berichterstattung von mittelständischen Unternehmen im Vergleich zu größeren Wettbewerbern?
Mein Eindruck ist hier tatsächlich, dass kleinere und mittlere Unternehmen aufgrund ihrer Unternehmensgröße eher den Überblick über die Vorgänge in ihrer Wertschöpfungskette besitzen und auch in einer überschaubaren Geschäftspartner-Landschaft agieren, wo man sich meist auch noch persönlich kennt, sodass die Verantwortung leichter wahrgenommen werden kann – im Vergleich zu großen Konzernstrukturen, wo die weit verzweigten Liefernetzwerke mit stark standardisierten Prozessen schnell anonym werden. Zudem zeigt sich leider auch in der politischen Diskussion, dass der Mittelstand oft als eine Art Schutzschild herangezogen wird, denn Nachhaltigkeitspraxis im Mittelstand wird durch die Größe der Betriebe ganz anders gelebt – trotzdem werden Problemstellungen nur selten aus ihrer Sichtweise betrachtet.
Digitalisierung und Nachhaltigkeit spielen gerade deshalb eine wichtige Rolle für den Mittelstand und haben gleichzeitig viele Berührungspunkte. Wie profitieren kleinere und mittlere Unternehmen Ihrer Ansicht nach von einer nachhaltigen Digitalisierung?
Im Prinzip ist es so, dass wir quasi dann von einer „Twin Transition“ sprechen, wenn eine Digitalisierungs- und Nachhaltigkeitsstrategie in Verbindung miteinander vorangebracht wird. Hier sehen wir eben auch, dass, wenn ein Unternehmen beispielsweise Industrieprozesse digital optimiert, dies auch zu Ressourceneinsparungen beiträgt: Egal, ob ich hier an Energie oder Materialien, beispielsweise im Bereich Textil, denke, wo eventuell weniger Verschnitt in der Textilproduktion anfällt, denn auch zirkuläre Geschäftsmodelle können leichter aufgebaut werden, ohne dabei einen Qualitätsverlust einzubüßen. Beim Modell des „digitalen Zwillings“ kann zudem eine Vorschau erzeugt werden, um zu sehen, wie die Produktion im Ernstfall optimiert werden kann. Das nimmt die sonst übliche Try & Error-Methode vorweg. Dann ist der Industrieprozess an sich schon vorher durch die realistischen Annahmen so optimiert, dass handfeste Kosten eingespart werden.
Wir hatten über mehrere Jahre das Projekt nachhaltig.digital in Kooperation und mit Förderung der Deutschen Bundesstiftung Umwelt, bei dem jedes Jahr ein Monitor erschien. Hier spiegelte sich auch in den Zahlen eindeutig wider, wie sehr sich mittelständische Unternehmen schon allein durch den Kostendruck mit den Themen Nachhaltigkeit und Digitalisierung beschäftigen sowie die daraus resultierenden Impulse. Deshalb sehe ich hierin auch Erfolgsgeschichten und freue mich, wenn ich entsprechende Initiativen wie die bundesweiten Mittelstand-Digital Zentren sehe, die erfolgreiche Digitalisierungsbeispiele aus mittelständischen Unternehmen zeigen und Sichtbarkeit für solche Erfolgsgeschichten schaffen.
Welche Praxistipps würden Sie Unternehmen an die Hand geben, die eine nachhaltige Digitalisierung umsetzen möchten?
Zuerst sollten sie sich natürlich ein Überblick darüber verschaffen, was in der Branche gerade abläuft und was die Konkurrenz macht. Im nächsten Schritt lohnt sich der Austausch im Netzwerk innerhalb der eigenen Branche, wenn es das gibt. Es gibt ja auch Branchenverbände, die schon entsprechende Dialogformate etabliert haben, um Erfahrungen auszutauschen und sich zu vernetzen. Da denke ich an die Mittelstand-Digital Zentren, B.A.U.M. e.V., Bitkom oder an Umweltverbände, die sich beispielsweise auch mit dem Pariser Klimaschutzabkommen befassen und ein entsprechendes Wissen über die Kerntransformationszeiten der einzelnen Branchen besitzen.
In Verbindung mit diesen Netzwerken kann durch die kollegiale Beratung untereinander auch evaluiert werden, welche Digitalisierungsstrategie zum eigenen Unternehmen passt. So könnten mehrere Fliegen mit einer Klappe erwischt werden, indem vielleicht einerseits personelle Ressourcen optimiert werden können und andererseits auch Vorteile durch gesellschaftliche, aber auch ökonomische Nachhaltigkeit generiert werden. Zusätzlich sollten auch die verschiedenen Abteilungen eines Unternehmens miteinander ins Gespräch kommen, um herauszufinden, welche Schwerpunkte sie für eine Nachhaltigkeitsstrategie setzen. Anschließend können Ziele und Maßnahmen abgeleitet werden, um eine zeitliche Reihenfolge für den Prozess festzulegen.
Warum sind Transparenz und die Messung von Ergebnissen wichtig für Unternehmen, die digitale Lösungen integrieren und eine Marktwirtschaft fördern möchten, die sowohl soziale als auch ökologische Aspekte berücksichtigt?
Eine absolute Schlüsselrolle spielt hier die regelmäßige Berichterstattung, die ja auch dem Management-Ansatz von Plan-Do-Check-Act zugrunde liegt. Das bedeutet: Wenn ich in die Umsetzung gehe, muss ich auch den Umsetzungsprozess gut begleiten – und das am besten auch wiederum so, dass es zu keinen Störungen im Betriebsablauf kommt. Unter Umständen können solche gravierenden Änderungen Unternehmen sonst an den Rand der Existenz bringen. Deshalb lohnt es sich immer zu beobachten, ob die Belegschaft noch mit an Bord ist und ob das Ziel sowie der Prozess dahinter verstanden wird.
Nur, wenn die Scheu und Angst vor Transparenz abgelegt werden, tragen die Erfahrungen zum Lernprozess bei. Also ist die Berichterstattung für die Festlegung zentraler Erfolgsfaktoren wichtig, aber auch, um die Erreichung der einzelnen Etappen auf dem Weg der Digitalisierung zu überprüfen und hier flexibel reagieren zu können. Ein weiterer wichtiger Aspekt ist das Thema der Datenbeschaffung, die auch unbedingt digitalisiert werden sollte, denn eine lineare Berichterstattung, beispielsweise mit Excel-Tabellen, stößt hier sehr schnell an ihre Grenzen. Stattdessen sollte der Fokus auf eine Echtzeit-Berichterstattung von verifizierten Rohdaten gesetzt werden, aus denen auch ökologische und gesellschaftliche Faktoren abgelesen werden können.
Bei der Wirkungsmessung finde ich die Unternehmensbilanz als Steuerungsmoment interessant, denn hier liegt der Schwerpunkt momentan noch auf den Finanzkennzahlen. Eine wesentliche Innovation stellt hier deshalb die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) dar, denn hier fließen auch ökologischen und gesellschaftliche Faktoren mit ein. Mittlerweile gibt es sogar in den betriebswirtschaftlichen Lehren Bestrebungen, die Logik der Bilanzkennzahlen zu erweitern, um die unternehmerische Nachhaltigkeitsleistung im Lagebericht sichtbar zu machen.
In unserem Blogbeitrag finden Sie weitere Informationen über die Pflicht zur Berichterstattung im Bereich Nachhaltigkeit für den Mittelstand ab 2025.
Dazu gehören unter anderem die Beiträge eines Unternehmens zu regionaler Wertschöpfung oder zur Schaffung von Arbeitsplätzen; gerade hier können mittelständische Unternehmen punkten. Auch die ökologische Gesamtbilanz spielt eine zunehmend wichtige Rolle. Dazu zählt beispielsweise die Investition eines Unternehmens in die intakte Umwelt in der Region – aber auch globale Lieferketten und die Unternehmenskultur spielen hier mit rein, denn auch eine hohe Fluktuationsrate sorgt für hohe Transaktionskosten und sollte in der Berichterstattung berücksichtigt werden. Hier sehe ich eine weitere Stärke mittelständischer Unternehmen, denn hier hat sich eine ausgeprägtere Betriebstreue etabliert.
Welche Barrieren machen sich im Austausch mit Unternehmen hinsichtlich geplanter Digitalisierungsvorhaben immer wieder bemerkbar?
Ich höre von vielen Unternehmen, weniger aus unserer Mitgliedschaft als aus unserem Umfeld, dass die aktuelle Geschäftsführer-Generation, die noch vor dem Generationenwechsel steht, sich weigert, jetzt schon die Nachhaltigkeits- und Digitalisierungsstrategien voranzubringen. Das bringt die nächste Generation in eine missliche Lage, denn wenn diese Strategien nicht ab sofort entwickelt werden, fällt ihnen dieser ständige Aufschub auf die Füße und die Implementierung der nötigen Maßnahmen wird immer komplizierter. Bleibt das nachhaltige Wirtschaften also weiterhin aus, gefährdet dies die Zukunft des Unternehmens und das Vertrauen der Nachfolge-Generation.
Zeitgleich höre ich von unseren Mitgliedern, dass verschiedene Regulierungsinitiativen auf die Unternehmen zukommen und dies von den eigentlichen internen Vorhaben zur Transformation und Umstrukturierung des Prozesses abhält. Das bedeutet, die Berichtspflichten absorbieren viel Aufmerksamkeit und verlangen, innerhalb der europäischen Berichtsstandards einzelne Wesentlichkeitsanalysen durchzuführen, obwohl eine weitergehende Vorgabe von Seiten des Standardsetzers wahrscheinlich sogar real Kosten sparen würde.
Es wurde ja auch vor Kurzem dafür gestimmt, dass die Ausarbeitung branchenspezifischer Wesentlichkeitsindikatoren (wegen der Europawahl) vorläufig verschoben wird. Ich glaube, dass dies den Unternehmen einen Bärendienst erweisen wird, indem sie noch länger in dieser Grauzone sind, dann jedoch hunderttausende einzelne Unternehmen in diesen Bereich investieren müssen. Dies schlägt sich auf Beraterhonorare und die internen Kapazitäten der Unternehmen nieder. Hier versuchen wir als B.A.U.M. e.V. wiederum, eine Orientierungshilfe zu bieten, sodass die Unternehmen günstige Zeitpunkte erfahren und dadurch entsprechend aktionsfähig sind.
Der von Ihnen mit entwickelte Deutsche Nachhaltigkeitskodex berücksichtigt die Unternehmensbereiche Strategie, Prozessmanagement, Umwelt und Arbeitnehmerbelange. Können Sie einen Einblick geben, in welchem der genannten Bereiche es am schwierigsten ist, die Nachhaltigkeitsberichterstattung oder auch nachhaltige Maßnahmen umzusetzen?
Aus der Lektüre von Nachhaltigkeitsberichten würde ich sagen, dass Unternehmen hauptsächlich vor der Beschreibung des Anteils von beispielsweise rezipierten und rezyklierbaren Rohstoffen sowie zirkulärer Produkte und Dienstleistungen zurückscheuen. Zudem werden Investitionsanteile, die in Nachhaltigkeitsinnovationen fließen, selten aufgeschlüsselt – obwohl das eben auch einer der wichtigsten Glaubwürdigkeitsindikatoren ist. Tatsächlich fehlt auch häufig noch eine gute, integrative Verantwortungsstruktur, um die Nachhaltigkeits-Governance in Unternehmen zu beschreiben, denn manche Unternehmen sind in der glücklichen Situation, eine eigene Nachhaltigkeitsabteilung zu haben und das Thema wird dann dort geparkt. Die Geschäftsführung hat die Zuständigkeit damit abgegeben, sodass es hier zu einer Art Compliance-Übung kommt.
Daher achte ich auch immer darauf, ob es einen Buy-in von einem Vorstand oder einer Geschäftsführung gibt, oder auch, ob es tatsächliche Commitments gibt, die nicht nur im Vorwort einer Nachhaltigkeitsvereinbarung stehen. Besonders in den Kernbereichen der Beschaffung und Innovation sollte eine reale Führungsverantwortung wahrgenommen werden, um als Unternehmen auch glaubhaft zu sein. Während solcher Analysen erhalten wir dann eben auch von den Nachhaltigkeitsmanager:innen Feedback, bei dem sie zum Ausdruck bringen, dass sie sich hier mehr Unterstützung von der Geschäftsführung wünschen würden.
Oftmals verharrt die Führungsebene des Unternehmens noch in einer abwartenden Haltung; deshalb müssen wir auch über die betriebswirtschaftliche Logik eine Akzeptanz für diese Themen schaffen. Nur wenn Unternehmen erkennen, dass es „sich lohnt“ und mit konkreten Zahlen belegbar ist, kann diese bislang noch lästige Pflicht der Berichterstattung den Wertansatz der Unternehmen verändern.
Erfahren Sie in unserer Studie “Transformation und Zukunftskompetenzen im deutschen Mittelstand”, wie Unternehmen die Herausforderungen der digitalen Transformation meistern können.
Wie ist Ihre Erfahrung: Müssen Unternehmen noch für die Nachhaltigkeitsberichterstattung sensibilisiert werden oder fehlt eher das Wissen über die richtige Umsetzung?
Eher zweiteres, und die Sensibilisierung tragen wir über die Mitgliedschaft bei uns hinaus. Ich bin jetzt seit drei Jahren Vorsitzende von B.A.U.M. e.V. und mein Eindruck ist, dass es institutionelles sowie organisatorisches Pionierwissen gibt und bereits ein unfassbarer Erfahrungsschatz vorhanden ist, den unsere Mitglieder einbringen. Jetzt muss dieses Wissen angezapft und für die Allgemeinheit nutzbar gemacht werden. Unsere Aufgabe besteht deshalb darin, dass sich Unternehmen dem Thema Nachhaltigkeit individuell nähern können.
Durch meine Leitung beim Deutschen Nachhaltigkeitskodex habe ich über die wiederholte Berichterstattung von Unternehmen gelernt, dass manche von der offiziellen Befassung mit dem Thema bis hin zum ersten veröffentlichten Bericht schon mal fünf Jahre benötigen.
Auf der anderen Seite gibt es dann noch die Fälle, die einfach den Entschluss fassen, einen Bericht zu verfassen, und sich ab der Nulllinie exponieren, um ihre Exzellenz über die Wiederholung der Berichterstattung aufbauen. Das ist eben ganz unterschiedlich und entwickelt sich organisch. Trotzdem lautet mein Rat: Unternehmen sollten sich frühestmöglich mit der Berichterstattung befassen, um die entsprechenden Prozesse aufzubauen. Denn sobald die Regulierung scharf gestellt wird, sollte auf eine gute Kommunikation und valide Nachhaltigkeitsinformationen zurückgegriffen werden können. Dadurch schaffen sich Unternehmen letztendlich einen klaren Wettbewerbsvorteil.
“Unternehmen sollten sich frühestmöglich mit der Berichterstattung befassen, um die entsprechenden Prozesse aufzubauen. Denn sobald die Regulierung scharf gestellt wird, sollte auf eine gute Kommunikation und valide Nachhaltigkeitsinformationen zurückgegriffen werden können.”
Inwieweit spielt Digitalisierung eine Rolle, wenn nachhaltiges Unternehmertum zum Maßstab gemacht werden soll, egal ob in Deutschland oder europaweit?
Da gibt es ja auch die entsprechenden Agenten, wie beispielsweise Ratingagenturen, die solch einen Maßstab vorantreiben und dann auf Basis von standardisierten Informationen ihre Einschätzungen darüber abgeben, wie nachhaltig oder eben nicht nachhaltig Unternehmen sind. Hier gibt es mittlerweile die entsprechenden Klassifizierungen, unabhängig davon, ob ich ein EcoVadis-Rating anschaue, was den Fokus eher auf die Lieferanten legt, oder ob ich den Blick eher auf gesellschaftlich getriebene Datenplattformen richte. Letztere machen den Abgleich mit Fokus auf die Geeignetheit zum Pariser Klimaschutzabkommen oder auch zum Erreichen globaler Nachhaltigkeitsziele.
Die Festlegung der Schwerpunkte ist hier manchmal interessengeleitet, deshalb denke ich, dass diese Feedbackmechanismen einfach unfassbar wichtig und wertvoll für Unternehmen sind. So können sie in die Offensive gehen und selbst als Absender Informationen zur Verfügung stellen, die dann in ihre Bewertung eingehen – anstatt aus der Defensive heraus keine Informationen herauszugeben und dann möglicherweise von harter Kritik überzogen zu werden, die unter Umständen gesellschaftliche und wirtschaftliche Schäden mit sich bringt.
Insofern ist die Digitalisierung unfassbar wichtig und ich würde mir wünschen, dass die EU-Kommission diese Chance auch sieht. Schließlich besteht dort die Idee, den europäischen Binnenmarkt zu stärken durch eben diese von ihr vorangetriebene Regulierung und einen europäischen Datensee zu schaffen. Darin könnten alle Nachhaltigkeitsinformationen europäischer Unternehmen enthalten sein, sodass die Unternehmen auch untereinander leichter miteinander in Kontakt kommen könnten.
Und wenn wir dann noch wegkämen von maschinenlesbaren PDFs hin zur tatsächlichen Aufbereitung mit einzelnen Datenpunkten, dann wird der Blick auf die Kernleistungsindikatoren auch für die Beschaffungsabteilungen europäischer Unternehmen wieder interessant. Schließlich messen sie mit ihnen die Glaubwürdigkeit von Unternehmen, und wenn diese von 170 auf etwa fünf bis fünfzehn tatsächlich interessante Indikatoren komprimiert werden, denke ich, dass dann auch die Entwicklung eines Marktdesigns möglich wird, bei dem sich nachhaltiges Wirtschaften lohnt.
Vielen Dank für Ihre Zeit und das Gespräch!
_____________
Zur Person:
Yvonne Zwick, Dipl.theol., prägt B.A.U.M. seit 2021 als Transformationsverband und Anlaufstelle für veränderungswillige Unternehmen auf der Suche nach klarer Orientierung. Zuvor war sie Stellvertretende Generalsekretärin des Rates für Nachhaltige Entwicklung und Leiterin des Büro Deutscher Nachhaltigkeitskodex. Sie arbeitet als Expertin in der Expertenarbeitsgruppe KMU der European Financial Reporting Advisory Group – EFRAG am europäischen Nachhaltigkeitsberichtsstandard für mittelständische Unternehmen mit, repräsentiert B.A.U.M. in den relevanten Stakeholdergremien der Bundesregierung, die sich mit der deutschen Nachhaltigkeitsstrategie und Sustainable Finance befassen, ist Mitglied im Vorstand der Charta Digitale Vernetzung e.V. und hält verschiedene Beiratsmandate.