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Digitale Nachweise und Identitäten: Revolution oder Bürokratiehilfe für Unternehmen?

Stellen Sie sich vor, Sie könnten mit einem Klick Nachweise für Behördengänge, Vertragsabschlüsse oder internationale Geschäfte bereitstellen – sicher, schnell und ohne Papierchaos. Klingt nach Science-Fiction? Nicht ganz. Digitale Nachweise und Identitäten sind auf dem Vormarsch und könnten besonders kleinen und mittleren Unternehmen das Leben erheblich erleichtern. Doch was steckt dahinter, und warum sollten Sie sich jetzt mit diesem Thema beschäftigen?
Zwei Hände halten ein Tablet und darüber zeigt ein Piktogramm den Transfer von Dateien

Warum digitale Identitäten für Unternehmen relevant sind 

„Warum soll ich mich mit digitalen Nachweisen beschäftigen? Papier funktioniert doch auch.“ Diese Frage mag sich der ein oder andere stellen. Doch wie sieht der Alltag vieler Unternehmen aus? Formulare ausfüllen, Kopien verschicken, Nachweise suchen. Das kostet Zeit, Nerven und Ressourcen. 

Mit digitalen Identitäten gehört dieses Problem der Vergangenheit an. Sie ermöglichen Unternehmen: 

  • Behördengänge zu automatisieren 
  • Vertragsabschlüsse zu beschleunigen
  • und den Datenaustausch mit Geschäftspartnern sicherer und effizienter zu gestalten

Gerade für kleine und mittlere Unternehmen, die oft mit begrenzten Ressourcen arbeiten, eröffnen diese Technologien enorme Potenziale. 

Was sind digitale Nachweise und wie funktionieren sie? 

Digitale Nachweise und Identitäten sind wie ein digitaler Ausweis, der beweist, wer Sie sind oder welche Berechtigungen Sie haben – nur eben sicherer und vielseitiger. Statt Kopien von Dokumenten weiterzugeben, können Sie mit digitalen Nachweisen beispielsweise: 

  • Ihr Alter bestätigen, ohne Ihre Adresse preiszugeben. 
  • Eine Unternehmensregistrierung nachweisen, ohne zusätzliche Unterlagen. 
     

Ein Beispiel: Stellen Sie sich vor, Sie möchten an einer öffentlichen Ausschreibung teilnehmen. Statt zahlreiche Dokumente einzureichen, genügt ein Klick in Ihrer digitalen Unternehmens-Wallet, und alle notwendigen Nachweise werden in Echtzeit verifiziert. 

Ein kurzer Blick zurück

Jedes Mal, wenn eine Website uns auffordert, eine neue digitale Identität zu erstellen oder uns bequem über eine große Plattform anzumelden, haben wir in Wirklichkeit keine Ahnung, was mit unseren Daten geschieht. Aus diesem Grund wird die Kommission demnächst eine sichere europäische digitale Identität vorschlagen. Eine, der wir vertrauen, und die Bürgerinnen und Bürger überall in Europa nutzen können, um alles zu tun, vom Steuern zahlen bis hin zum Fahrrad mieten. Eine Technologie, bei der wir selbst kontrollieren können, welche Daten wie verwendet werden.“

Diese Ausführungen der Präsidentin der Europäischen Kommission vom 16.09.2020 markierten den Auftakt zur Einführung digitaler Identitätsnachweise in der EU,  sowie einer europäischen Wallet (EUDI-Wallet) zur Verwaltung digitaler Nachweise. Ziel war es, den Bürger:innen und Unternehmen ein sicheres, vertrauenswürdiges System für den Datenaustausch bereitzustellen. 

Das Herzstück: die sogenannte EUDI-Wallet. Diese digitale Brieftasche soll es ermöglichen, Nachweise und Identitäten europaweit standardisiert zu speichern und zu verwalten.

Im Jahr 2026/27 sollen diese Vorhaben Realität werden. Derzeit werden sie noch durch Konsultationsprozesse begleitet und im Rahmen europäischer Großprojekte, den Large Scale Pilots (LSPs), in verschiedenen Anwendungsszenarien erprobt.  Den maßgeblichen rechtlichen Rahmen bildet die europäische eIDAS2.0 Verordnung:

Werden digitale Nachweise und Identitäten irgendwann Pflicht? 

Die eIDAS 2.0-Verordnung verpflichtet die EU-Mitgliedstaaten, allen Bürger:innen und Unternehmen eine EU Digital Identity Wallet (EUDIW) zur Verfügung zu stellen. Unternehmen, insbesondere solche, die mit Behörden oder international tätig sind, müssen in Zukunft in der Lage sein, digitale Identitäten zu akzeptieren und zu verarbeiten. 

Für die Nutzung gibt es aktuell keine allgemeine Pflicht, aber es ist wahrscheinlich, dass digitale Identitäten in vielen Bereichen zum Standard werden. Unternehmen, die nicht frühzeitig darauf umstellen, könnten mittelfristig Wettbewerbsnachteile erfahren. Daher ist es sinnvoll, sich schon jetzt mit der Integration dieser Technologien zu befassen. 

Der Start für eine hoheitliche digitale Identität bildet erst den Anfang einer dynamischen Entwicklung, in deren Verlauf natürliche wie juristische Personen eine einheitliche digitale ID erhalten werden. Damit wird  die Basis für ein europäischen System des sicheren Datenaustauschs geschaffen und ein vollkommen neuer Kanal zum Austausch von Informationen und Daten eröffnet.

Auch der sichere Umgang mit Kundendaten spielt für Unternehmen eine wichtige Rolle – wie dies richtig gelingt, erfahren Sie in unserem Youtube-Video.

Wie können Unternehmen digitale Identitäten nutzen? 

Für mittelständische Unternehmen sind die Einsatzmöglichkeiten vielfältig. Beispiele gefällig? 

  1. Steuererklärungen und Fördermittel beantragen: Mit einer digitalen Unternehmensidentität (OrgID) können Formulare maschinenlesbar ausgefüllt und schneller bearbeitet werden. 
  1. Grenzüberschreitender Handel: Ihre digitale Identität wird in allen EU-Mitgliedstaaten anerkannt. Das erleichtert die Zusammenarbeit mit internationalen Partnern. 
  1. Sicherer Zugang zu Plattformen: Keine mehrfachen Registrierungen, keine unsicheren Passwörter – die OrgID bietet ein hohes Maß an Sicherheit. 

Laut Schätzungen könnten Unternehmen in Deutschland jährlich rund 81 Milliarden Euro einsparen, wenn sie auf digitale Nachweise setzen. 

Grundprinzipien

Während die eIDAS  (electronic Identification, Authentication and trust Services – Elektronische Identifizierung, Authentifizierung und Vertrauensdienste) die europaweite und grenzüberschreitende Verwendung von elektronischen Vertrauensdiensten und Identifizierungsmitteln bestimmt, definiert das Architecture and Reference Framework (ARF), vereinfacht ausgedrückt, den technischen Rahmen für die EUDI-Wallet sowie für  digitale Nachweise und Identitäten. Um zukünftig Daten sicher auszutauschen und Dokumente beispielsweise rechtsverbindlich zu signieren, entstehen neue technische Ökosysteme.

Die Grundprinzipien digitaler Nachweise und Identitäten beruhen auf drei involvierten Parteien: Issuer – Holder – Verifier. Während mit dem Issuer in der Regel eine hoheitliche Instanz gleichgesetzt wird, die einer Entität (Holder) einen Nachweis ausstellt, überprüft eine Dritte Instanz (Verifier) bei Vorlage des Nachweises die Identität des Issuers sowie die Integrität des Nachweises. Grundsätzlich können alle drei genannten Parteien als Herausgeber eines Nachweises auftreten. 

Ein Merkmal von Wallet-basierten digitalen Nachweisen liegt in der Möglichkeit, Daten selektiv (selective disclosure) weiterzugeben. Während Nachweise heute nach wie vor als Dokument angelegt sind, und somit als Gesamtheit von Einzelinformationen (Attribute) weitergegeben werden, ermöglichen digitale Nachweise auch die Weitergabe einzelner Attribute. Eine natürliche Person kann somit beispielsweise Volljährigkeit nachweisen, ohne zusätzliche Informationen wie persönliche Merkmale oder eine Meldeanschrift freizugeben.  

 

Herausforderungen und Fragen, die Sie sich stellen könnten

  1. Ist das sicher? 
    Ja. Durch Verschlüsselung und die Möglichkeit, nur ausgewählte Daten weiterzugeben (selective disclosure), sind digitale Nachweise oft sicherer als herkömmliche Methoden. 
  1. Was kostet mich das? 
    Der Einstieg erfordert vielleicht eine Anfangsinvestition in Schulungen oder Software, langfristig sparen Sie jedoch Zeit und Geld. 

Brauche ich das überhaupt? 
Gerade kleine und mittlere Unternehmen profitieren von weniger Bürokratie und schnelleren Prozessen – ob bei Steuerfragen, Vertragsabschlüssen oder der Zusammenarbeit mit internationalen Partnern.   

Potenziale

Laut Schätzungen im Rahmen von Forschungsprojekten zu digitalen Identitäten könnten Unternehmen aus der Bundesrepublik jährlich rd. 81 Milliarden € einsparen, wenn sie aufgezeigte Systeme digitaler Nachweise und Identitäten nutzen

Unternehmen können damit durch die Nutzung einer europäischen digitalen Organisationsidentität (OrgID) zukünftig auf verschiedenen Ebenen Kosten einsparen:

  • Reduzierung bürokratischer Aufwände: Mit der OrgID müssen Unternehmen weniger Papierkram erledigen und ihre Identität nicht mehrfach gegenüber Behörden oder Institutionen nachweisen. Der Aufwand für die Bearbeitung und Speicherung von Papierdokumenten wird drastisch reduziert.
  • Die OrgID bietet ein hohes Maß an Sicherheit bei der Authentifizierung, was das Risiko von Identitätsdiebstahl, Betrug und auch Fehlern bei der Kommunikation mit Behörden verringert. Dies hilft Verzögerungen wie rechtliche Probleme zu vermeiden.
  • Durch maschinenlesbare Nachweise können Unternehmen ihre Prozesse effizienter gestalten. Steuererklärungen oder der Zugang zu Fördermitteln können schneller abgewickelt werden und sparen damit Zeit und Ressourcen.
  • Auch grenzüberschreitender Handel innerhalb der EU wird vereinfacht, da Unternehmen mit einer digitalen Identität in allen Mitgliedstaaten anerkannt werden.

Auch unterhalb vorgenannter Anwendungen bieten diese Technologien vielfältige Möglichkeiten und Potenziale, um in Unternehmen eingesetzt zu werden. Einen Einstieg in das Thema und seine Begriffswelt finden sie im „Wegweiser digitale Identitäten und Nachweise“ der im Rahmen des  Forschungsprojekts Sichere digitale Identitäten des BMWK erstellt wurde.  

Der nächste Schritt: Wie Sie beginnen können 

Wenn Sie mehr über digitale Nachweise und Identitäten erfahren möchten, starten Sie am besten mit einem Blick in den „Wegweiser digitale Identitäten und Nachweise“ des BMWK. Dieser erklärt die Grundlagen und gibt praktische Tipps für den Einstieg. 

Oder fragen Sie sich: Welche Prozesse in Ihrem Unternehmen könnten durch digitale Nachweise vereinfacht werden? Vielleicht ist es die Zusammenarbeit mit Behörden, der Zugang zu Fördermitteln oder die Authentifizierung auf Plattformen. 

Fazit: Digitalisierung mit Zukunftspotenzial 

Digitale Nachweise und Identitäten sind mehr als nur ein technischer Trend – sie könnten die Art und Weise, wie Unternehmen arbeiten, grundlegend verändern. Für Unternehmen bedeuten sie weniger Bürokratie, mehr Sicherheit und eine große Zeitersparnis. Es ist an der Zeit, diesen Schritt in die digitale Zukunft zu gehen. 

Denken Sie daran: Während Künstliche Intelligenz oft im Rampenlicht steht, sorgen digitale Identitäten leise, aber effektiv dafür, dass die digitale Welt sicherer und effizienter wird. 

Autor 

Benjamin Burde beschäftigt sich seit den 2000er Jahren mit dem Thema Bildung und sozio-ökonomischen Kontexten der Digitalisierung. Er ist Diplom-Politologe und war u.a. eine Dekade Geschäftsführer des größten MINT-Schulnetzwerks der Bundesrepublik. Es folgten Tätigkeiten bei Bildungsstiftungen. Von 2021 bis Ende 2024 war er im Konsortium IDunion tätig, einem von vier vom BMWK geförderten Schaufensterprojekten „Sichere digitale Identitäten“. Benjamin Burde leitete dort u.a. die Projektgruppe Glossar und war im Arbeitspaket Bildung tätig sowie in der Schweizer Initiative DIDAS.

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