Wir leben in einer Zeit, in der es technische Erfindungen möglich machen, sehr effizient zu arbeiten und mehr Zeit für die wesentlichen Dinge zu haben – so zumindest die Theorie. Die Praxis sieht häufig jedoch völlig anders aus: Überforderung im Home Office, Burnout durch mentale Belastung, ständige Erreichbarkeit, verschwimmende Grenzen von Arbeit und Privatleben. Die Anforderungen an das Selbstmanagement sind so hoch wie nie zuvor. Im vierten und letzten Teil unserer Serie “Erfolgsfaktoren für hybride Teams: Von E wie Effizienz bis V wie Vertrauen” widmen wir uns diesem Thema.
Worauf kommt es beim heimischen Arbeitsplatz eigentlich an? Hilfreiche Tipps für die richtige Einrichtung des Home Office finden Sie hier.
Produktivität im Home Office
Eine sehr weit verbreitete Angst unter Führungskräften ist jene vor unproduktiven Mitarbeiter:innen im Home Office. Woher kommt diese Angst? Warum gehen wir davon aus, dass jemand, den wir sehen, produktiver ist und bessere Ergebnisse erzielt, als jemand, der an einem anderen Ort arbeitet?
Zahlreiche Studien zeigen mittlerweile, dass diese Angst vollkommen unbegründet ist. Wir Menschen neigen dazu, im Home Office mehr zu arbeiten, als uns gut tut. Der Arbeitsweg fehlt, um den Kopf frei zu bekommen und um eine bewusste Grenze zwischen Arbeit und Feierabend zu ziehen. Die Mittagspause kommt nahezu immer zu kurz. Pausen zwischendurch fehlen komplett.
Die Angst sollte also aufs mögliche Ausbrennen der Mitarbeiter:innen gelegt sein. Diese Angst ist nämlich absolut begründet und ebenso durch diverse Studien bestätigt. (siehe u.a. Gallup State of the Global Workplace 2023)
Mit Eigenverantwortung und Vertrauen zum Ziel
Vertrauen und Eigenverantwortung sind ein stetiger Begleiter in dieser Blogserie. Wenn Sie in Ihrem Team eine Kultur des Vertrauens etabliert haben und Ihre Mitarbeiter:innen zur Eigenverantwortung befähigen, dann ist Ihre Aufgabe darauf zu achten, dass sich Ihr Team nicht übernimmt. Achten Sie auf Frühwarnzeichen von körperlicher und psychischer Erschöpfung, um das Risiko für Burnout und Überlastung zu minimieren.
Lassen Sie Ihren Mitarbeiter:innen einen höchstmöglichen Grad an Freiheit bezüglich der Arbeitszeiten. Sorgen Sie dafür, dass Ihre Belegschaft mit dieser Freiheit gesund und bewusst umgehen kann.
Beteiligen und ermutigen Sie Ihre Mitarbeiter:innen auch dazu, gegenseitig aufeinander aufzupassen. In hybriden Teams kommt als erschwerender Faktor hinzu, dass der soziale Austausch unter Kolleg:innen schwieriger wird. Dabei ist der gemeinsame Austausch wichtig, um Inspiration zu finden und neue Blickwinkel zu bekommen. Nicht zuletzt bleibt beim Arbeiten im Home Office die gegenseitige Erinnerung daran aus, mal etwas kürzer zu treten oder eine dringend benötigte Pause einzulegen.
Zeit zum Durchatmen
Ich lade Sie ein kurz inne zu halten und folgende Fragen für sich zu reflektieren:
- Kennen Sie die Angst vor unproduktiven Mitarbeiter:innen im Home Office?
- Haben Sie Mitarbeiter:innen mit Anzeichen für ein Burnout?
- Gibt es ein Präventionsangebot für mentale Gesundheit für Ihre Mitarbeiter:innen?
- Wie schätzen Sie Ihre eigene mentale Gesundheit ein?
- Was zählt für Sie mehr – Ergebnisse oder Anwesenheit?
- Wie gehen Sie mit überforderten Mitarbeiter:innen um?
Handlungsempfehlungen für Sie
Ergebnisse statt Anwesenheit!
Kennen Sie das Pareto-Prinzip? Das Pareto-Prinzip besagt, dass 80% der Ergebnisse mit nur 20% des Aufwands erzielt werden können. Wenn Ihre Mitarbeiter:innen dieses Prinzip verinnerlicht haben, kann es Ihnen helfen, achtsamer mit ihren Ressourcen umzugehen.
Die Grundvoraussetzung, um nach dem Pareto-Prinzip arbeiten zu können, ist der Fokus auf Arbeitsergebnisse anstatt auf Arbeitszeiten. Ist ein Ergebnis erreicht und die Qualität für den jeweiligen Fall ausreichend, dann darf die Arbeit als abgeschlossen gelten. Die Rede ist hier beispielsweise von der Erstellung von Powerpoint-Präsentationen für ein Management Meeting. Da können schnell mal viele Stunden einfließen. Ein Ende zu finden und teilweise schädlichen Perfektionismus zu unterbinden ist hier die Kunst.
Natürlich ist es wichtig, ein klares und einheitliches Verständnis für die zu erreichenden Ziele zu haben. Wann sind 80% genug – und wann braucht es 100%?
Kennen Sie den Antrieb Ihrer Mitarbeiter:innen!
Kennen Sie den Flow-Zustand? Jener Zustand, der eintritt, wenn uns etwas Spaß macht und wir alles um uns herum vergessen? Die Zeit verschwimmt und alles geht leicht von der Hand. Dieser Zustand fühlt sich toll an und dennoch ist er mit Vorsicht zu genießen. Er ist eine kleine Droge. Ähnlich wie Lob. Das hören wir gerne und sind direkt gewillt, noch mehr zu geben. Gerade in Zeiten von Überforderung ist es umso wichtiger, hier ganz genau hinzuschauen.
Wissen Sie, wie Ihre Mitarbeiter:innen diesbezüglich ticken? Was treibt sie an, die Extrameile zu gehen? Wann erleben sie Überforderung? Wenn Sie es nicht wissen, sprechen Sie Ihr Team darauf an. Häufig meinen wir, bestens über alles im Bilde zu sein und tappen in Wirklichkeit im Dunkeln.
Nun sind Sie dran!
Es ist an der Zeit, einen Moment innezuhalten und das Thema Selbstmanagement in Ihrem Team zu reflektieren. Bewerten Sie sich selbst: Auf einer Skala von 1 bis 10.
Wie schätzen Sie die Selbstmanagement-Qualitäten Ihres Teams ein?
Wie hoch ist die Gefahr für Burnout-Fälle in Ihrem Team?
Wo liegt der derzeitige Grad der Eigenverantwortung bei Ihren Mitarbeitenden?
Wie sehr unterstützen sich Ihre Mitarbeiter:innen gegenseitig?
Wie dringend schätzen Sie den derzeitigen Handlungsbedarf ein?
Nutzen Sie diese Chance, um Ihre Stärken zu würdigen und Bereiche zu identifizieren, in denen Sie sich weiterentwickeln können, damit Sie das volle Potenzial Ihres Teams ausschöpfen können. Zur Unterstützung stellen wir Ihnen drei praktische Tools vor, die Sie einsetzen können, um den Wirkungsgrad des Selbstmanagements in Ihrem Team zu verbessern.
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Tipps & Tools
Denken Sie an die 72-Stunden-Regel. Alles, was Sie sich jetzt vornehmen, sollten Sie innerhalb der nächsten 72 Stunden starten. Ansonsten fällt die Wahrscheinlichkeit, dass Sie es tatsächlich umsetzen, unter einen Prozent.
Tool 1: Walk the talk
Führen Sie Termine, die nicht unbedingt mit Video stattfinden müssen, per Telefon. Gehen Sie dabei eine Runde spazieren. Ermutigen Sie Ihre Mitarbeiter:innen dies auch zu tun.
Ziel: Auch an stressigen Tagen kommen Sie so zu ausreichend Bewegung und frischer Luft.
Tool 2: Pomodoro
Die Pomodoro-Technik ist eine Methode des Zeitmanagements und hilft Ihnen, den Fokus zu halten und ausreichend Pausen zu machen.
- Definieren Sie, was Sie erledigen möchten.
- Stellen Sie Ihren Timer auf 25 Minuten.
- Konzentrieren Sie sich auf eine einzige Aufgabe, bis der Timer klingelt.
- Nach dem Ende des Timers erfassen Sie, was Sie erledigt haben.
- Machen Sie eine fünfminütige Pause.
- Machen Sie vier Pomodori am Stück und legen dann eine längere Erholungspause von 15 bis 30 Minuten ein.
Ziel: Durch diese Methode bleiben Sie bei einem Thema und laufen nicht Gefahr von einem Thema zum nächsten zu springen, ohne am Ende ein abgeschlossenes Ergebnis vorliegen zu haben.
Team-Tipp: Pomodoro-Sessions lassen sich auch gemeinsam in einem Zoom-Meeting machen. Dabei kann jedes Team-Mitglied an einem eigenen Thema arbeiten. Die Pausen können zum Austausch genutzt werden.
Tool 3: Mindful-Break
Machen Sie mit Ihrem Team zusammen eine Kurzmeditation in der Mittagspause. Diese kann von Ihnen oder einem Teammitglied angeleitet werden. Alternativ können Sie auch einfach eine Meditations-App anschalten (z.B.: Headspace oder 7mind). Die Mindful-Break funktioniert vor Ort, online und natürlich auch hybrid. Auch, wenn eine gemeinsame Meditation anfangs befremdlich wirkt, kann dieses Gefühl durch die Einführung einer regelmäßigen Routine schnell zu einer positiven Assoziation umgewandelt werden.
- Definieren Sie zwei feste Tage in der Woche, an denen beispielsweise von 12:30-13.00 Uhr gemeinsam inne gehalten wird.
- Legen Sie fest, wer durch die Meditation führt.
- Reflektieren Sie bei Bedarf gemeinsam, wie Sie sich fühlen und was diese Auszeit mit Ihnen und Ihrem Team macht.
Ziel: Meditation hebt bei regelmäßiger Praxis unsere Stimmung, verbessert unseren Umgang mit Gefühlen, verstärkt unsere positiven Persönlichkeitseigenschaften, erhöht unsere Konzentrationsfähigkeit und macht unser Denken klarer.
Sollte die eigene Produktivität im Home Office doch einmal geringer ausfallen als geplant, finden Sie unter folgendem Link einen praktischen Leitfaden für den richtigen digitalen Arbeitsplatz.
Fazit & Abschluss
Selbstmanagement ist eine Disziplin, die in der heutigen Zeit kaum hoch genug bewertet werden kann. Bei allem Fokus auf Produktivität und Effizienz dürfen Sie sich als Führungskraft in Erinnerung rufen, dass es wichtig ist, Dinge auch mal liegen zu lassen. Das gilt für Sie UND Ihr Team. Ebenso ist es wichtig, um Hilfe zu bitten. Das ist die Art des Selbstmanagements, die es in Teams braucht. Wir können nicht alles schaffen und schon gar nicht alleine. Gemeinsam können wir aber sehr viel erreichen.
Wir sind nun am Ende dieser Serie rund um die Erfolgsfaktoren hybrider Teams angelangt. In den letzten Monaten standen die vier wesentlichen Erfolgsfaktoren Vertrauen, Kommunikation, Führung und Selbstmanagement im Fokus. Ich hoffe, dass Sie Inspiration und praxistaugliche Werkzeuge mitnehmen konnten.
Autorin: Sandra Karner
Sandra Karners Leitsatz lautet “Erfolgreiche Unternehmen haben starke Teams”. Sie ist als selbständige Team-Coachin, Beraterin und Trainerin angetreten, um erfolgreiche und motivierte Teams zu formen. Sie verfügt über eine langjährige Erfahrung als Change Agent, Agile Coach, Scrum Master, Projektleiterin, Führungskraft, Moderatorin und Speakerin.