Während große Konzerne längst auf Künstliche Intelligenz (KI) setzen, bleibt sie für viele kleine und mittlere Unternehmen eine schwer greifbare Zukunftsmusik. Fehlende IT-Ressourcen, knappe Budgets und Unsicherheiten im Umgang mit Daten bremsen die Umsetzung aus. Doch der Wettbewerbsdruck steigt – digitale Prozesse effizienter zu gestalten, wird immer wichtiger. Wie also können Unternehmen erste Schritte in Richtung KI und datengetriebene Innovation gehen, ohne sofort hohe Investitionen zu tätigen?
Hier setzt Citizen Development an: Mitarbeitenden aus den entsprechenden Fachabteilungen wird die Möglichkeit geboten, mit No-Code- und Low-Code-Tools eigene digitale Lösungen zu entwickeln – ganz ohne Programmierkenntnisse. Sie automatisieren Abläufe, strukturieren Daten und schaffen wertvolle digitale Werkzeuge für den Arbeitsalltag. Dieser Ansatz bereitet Unternehmen nicht nur auf eine effizientere Zukunft vor, sondern legt auch eine fundierte Basis für den späteren Einsatz von KI. Denn: Wer lernt, Daten gezielt zu erfassen und zu nutzen, kann sie langfristig auch für maschinelles Lernen und Automatisierung einsetzen. Darüber hinaus gewinnen Unternehmen durch Citizen Development an digitaler Souveränität, da sie weniger abhängig von externen Softwareanbietern und IT-Dienstleistern sind. Sie können eigene Lösungen schneller anpassen, Innovationen selbst vorantreiben und ihre technologische Kontrolle stärken.
Doch wie genau funktioniert Citizen Development, welche Tools bieten sich an, und wie profitieren Unternehmen davon?
Citizen Developer: Mitarbeitende gestalten digitale Prozesse selbst
In vielen Unternehmen schlummert ein riesiges, ungenutztes Potenzial: Mitarbeitende, die ihre täglichen Prozesse genau kennen und oft schon eine Idee haben, wie sie effizienter gestaltet werden könnten. Doch bislang fehlten ihnen die technischen Mittel, um diese Ideen in die Tat umzusetzen. Citizen Developers schließen genau diese Lücke. Sie sind keine gelernten Softwareentwickler:innen, sondern Fachkräfte aus verschiedenen Unternehmensbereichen, die mit benutzerfreundlichen No-Code- und Low-Code-Plattformen eigene digitale Lösungen für unternehmensspezifische Herausforderungen erschaffen.
Im Gegensatz zu klassischen IT-Spezialisten, die Software von Grund auf programmieren, setzen Citizen Developers auf visuelle Entwicklungsumgebungen, Drag-and-Drop-Elemente und vordefinierte Module.
Visuelle Programmiersprachen sind Programmiersprachen, bei denen der Code nicht als reiner Text geschrieben wird, sondern durch grafische Elemente wie Blöcke, Diagramme oder Flussdiagramme dargestellt wird. Statt komplizierter Syntax können Nutzer per Drag-and-Drop Logiken erstellen und Abläufe gestalten. Dadurch sind sie besonders einsteigerfreundlich und eignen sich gut für No-Code- oder Low-Code-Entwicklung, Bildungszwecke oder die schnelle Prototypenerstellung. Bekannte Beispiele sind Scratch, Blockly oder Node-RED
Dadurch können sie digitale Werkzeuge bauen, die perfekt auf die Anforderungen ihres Unternehmens zugeschnitten sind – ohne langwierige und zähe IT-Projekte oder hohe Entwicklungskosten. Und mehr noch: Indem sie beginnen, Daten zu strukturieren und Prozesse zu automatisieren, entwickeln sie genau die digitalen Kompetenzen, die später für den erfolgreichen Einsatz von KI entscheidend sind.

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Die richtigen Werkzeuge: No-Code und Low-Code
Die Basis für Citizen Development sind spezialisierte Plattformen, die entweder komplett ohne Code auskommen oder zumindest nur minimale Programmierkenntnisse erfordern.
- No-Code-Plattformen wie Airtable oder Zapier ermöglichen es, Anwendungen vollständig durch grafische Oberflächen zu erstellen – ideal für Fachabteilungen, die Prozesse digitalisieren wollen, ohne eine einzige Zeile Code zu schreiben.
- Low-Code-Plattformen wie Microsoft Power Apps, OutSystems und Mendix sind flexibler und erlauben die Integration von spezifischen Funktionen mit einfachen Code-Skripten. Sie eignen sich besonders für Unternehmen, die komplexere Anwendungen benötigen, aber trotzdem weitgehend auf externe Entwickler verzichten möchten.
Plattform | Funktionen | Vorteile | Einsatzbereiche |
Airtable (No-Code) | Kombination aus Datenbank und Tabellenkalkulation, Visuelle Gestaltung von Datenbanken, Integration mit externen Anwendungen wie Asana, Slack oder Facebook | Einfache Bedienung durch vorgefertigte Templates, Flexibel anpassbar an verschiedene Anforderungen, Unterstützt Zusammenarbeit im Team | Projektmanagement, Content-Planung, Kundenbeziehungsmanagement (CRM) |
Microsoft Power Apps (Low-Code) | Erstellung benutzerdefinierter Apps mit Drag-and-Drop, Integration mit anderen Microsoft-Diensten, Unterstützung von erweiterten Funktionen durch Low-Code-Skripte | Nahtlose Integration in die Microsoft-Umgebung, Ermöglicht schnelle Entwicklung von Geschäftsanwendungen, skalierbar für komplexe Anwendungen | Automatisierung von Geschäftsprozessen, Datenerfassung und -verwaltung, Interne Tools für Mitarbeiter |
Zapier (No-Code) | Automatisierung von Workflows zwischen verschiedenen Webanwendungen, Verbindung von über 2.000 Apps, Einrichtung von ‚Zaps‘ (Automatisierungsregeln) ohne Programmierkenntnisse | Spart Zeit durch Automatisierung wiederkehrender Aufgaben, Keine Programmierkenntnisse erforderlich, große Auswahl an unterstützten Apps | Automatisierung von Marketing-Prozessen, Synchronisation von Daten zwischen Apps, Benachrichtigungssysteme |
OutSystems (Low-Code) | Entwicklung von Web- und Mobile-Apps, Visuelle Entwicklungsumgebung, Integration mit bestehenden Systemen und Datenbanken | Hohe Produktivität durch visuelle Entwicklung, Unterstützung für komplexe und skalierbare Anwendungen, Schnelle Bereitstellung von Apps | Unternehmensweite Anwendungen, Kundenportale, Mobile Apps für interne Prozesse |
Mendix (Low-Code) | Visuelle Modellierung von Anwendungen, Unterstützung für agile Entwicklung, Integration mit Cloud-Diensten und Legacy-Systemen | Beschleunigt den Entwicklungsprozess, Kollaborationsfunktionen für Teams, Flexibel für verschiedene Branchen einsetzbar | IoT-Anwendungen, Business-Process-Management, Kundenorientierte Apps |
AppSheet (No-Code) | Erstellung von Apps direkt aus Datenquellen wie Google Sheets, Keine Programmierung erforderlich, Unterstützung von Workflow-Automatisierungen | Einfache Erstellung von Prototypen, Integration mit Google Workspace, Kosteneffizient für kleine bis mittlere Unternehmen | Feld-Datenerfassung, Bestandsverwaltung, Kundenservice-Apps |
Bubble (No-Code) | Entwicklung von Webanwendungen mit Drag-and-Drop, Vollständige Design-Kontrolle, Integration von Datenbanken und APIs | Ermöglicht komplexe Webanwendungen ohne Code, Große Community und zahlreiche Plugins, Kostengünstige Hosting-Optionen | Marktplätze, Soziale Netzwerke, SaaS-Produkte |
Appian (Low-Code) | Kombination von Prozessautomatisierung und App-Entwicklung, Integration von KI-Modulen, Visuelle Workflow-Modellierung | Starke Fokussierung auf Geschäftsprozessmanagement, Schnelle Entwicklung durch vorgefertigte Komponenten, Skalierbar für große Unternehmen | Finanzdienstleistungen, Gesundheitswesen, Lieferkettenmanagement |
Betty Blocks (No-Code) | Entwicklung von Anwendungen durch visuelle Modellierung, Unterstützung von Citizen Developement, Integration mit verschiedenen Datenquellen | Benutzerfreundliche Oberfläche, Schnelle Prototypenerstellung, Flexibel für unterschiedliche Geschäftsanforderungen | Personalmanagement, Vertragsverwaltung, Kundenportale |
Salesforce Lightning (Low-Code) | Entwicklung von Anwendungen auf der Salesforce-Plattform, Drag-and-Drop-Komponenten, Integration mit Salesforce-Daten und -Diensten | Nahtlose Integration in das Salesforce-Ökosystem, Beschleunigt die Entwicklung von CRM-Lösungen, Skalierbar für Unternehmen jeder Größe | Vertriebs- und Marketing-Apps, Kundenservice-Lösungen, Analyse-Dashboards |
Mit diesen Tools lassen sich Arbeitsabläufe automatisieren, Datenbanken erstellen, interne Kommunikationsplattformen entwickeln und vieles mehr. Aber wie genau profitieren Unternehmen davon?
Mehr Effizienz durch Citizen Developer
Jeder Handgriff, jede manuelle Dateneingabe und jede ineffiziente Abstimmung im Unternehmen kosten Zeit und Geld. Doch statt auf kostspielige Standardsoftware zu setzen oder externe Entwickler:innen mit teuren Anpassungen zu beauftragen, können Unternehmen nun ihre digitalen Lösungen selbst gestalten.
So kann beispielsweise ein mittelständisches Unternehmen, das bislang Rechnungen manuell bearbeitet hat, mit einer selbst entwickelten Power-App die Bearbeitungszeit reduzieren – und das ohne IT-Fachwissen. Ein Handwerksbetrieb, dessen Teams ständig zwischen Baustellen und Büro wechseln, entwickelt mit Airtable eine eigene Kommunikationsplattform für den internen Austausch – effizienter als jede Standardlösung. Und ein Kundenservice-Team nutzt No-Code-Tools, um Anfragen der Kundschaft automatisch zu erfassen und in ein intelligentes Ticket-System zu überführen – ohne teure Softwarelizenz.
Diese Beispiele zeigen: Citizen Development spart nicht nur Kosten, sondern gibt Unternehmen die Kontrolle über ihre digitale Souveränität zurück. Wer sich nicht länger auf externe IT-Ressourcen verlassen muss, kann schneller Innovationen umsetzen und seine Prozesse gezielt verbessern.
Schritt für Schritt zur KI mit Citizen Development
Der Einstieg in Citizen Development ist einfacher, als viele denken. Entscheidend ist, die richtigen Rahmenbedingungen zu schaffen:
- Die richtigen Mitarbeitenden identifizieren
Wer bringt im Unternehmen ein gutes Verständnis für Prozesse mit, denkt analytisch und hat keine Angst vor neuen Technologien? Diese Mitarbeitenden sind ideale Kandidat:innen für Citizen Development. - Schulungen & Ressourcen bereitstellen
Ein Crashkurs in No-Code oder eine interne Schulung können bereits ausreichen, um erste Projekte umzusetzen. Wichtig ist, Mitarbeitende zu ermutigen, selbst Lösungen zu entwickeln, Raum für Testphasen zu schaffen, um erste Erfahrungen mit digitalen Prozessen zu sammeln. Unterstützung gibt es dabei von den Mittelstand-Digital Zentren, die regelmäßig Webinare und Workshops zu No-Code, Low-Code und Citizen Development anbieten. Hier können Unternehmen praxisnah lernen, wie sie ihre digitale Transformation mit einfachen Mitteln vorantreiben - Die passenden Tools wählen
Die Wahl der richtigen Plattform hängt stark von den spezifischen Anforderungen des Unternehmens ab. Produktionsbetriebe profitieren von Automatisierungstools wie Microsoft Power Platform oder OutSystems, während Dienstleister mit Zoho Creator oder Google AppSheet flexible Datenlösungen entwickeln können. Ein Testlauf verschiedener Plattformen hilft, die beste Lösung zu finden. Wichtige Kriterien sind Skalierbarkeit, Integrationsfähigkeit und verfügbare Schulungen. - Sicherheit und Governance beachten
Die Einführung von Citizen Development-Tools bietet Unternehmen zahlreiche Vorteile, birgt jedoch auch Herausforderungen, insbesondere im Hinblick auf Sicherheit und Governance. Ohne klare Regeln und Strukturen kann es schnell zu einem unkontrollierten digitalen Wildwuchs kommen. Um dies zu vermeiden, ist es entscheidend, die IT-Abteilung frühzeitig einzubinden, um Datenschutz- und Sicherheitsrichtlinien zu definieren. Dazu gehören u. a. Zugriffsrechte, Verschlüsselung und regelmäßige Code-Reviews. Mitarbeiterschulungen in IT-Sicherheit und Compliance sind essenziell, um Risiken zu minimieren. Unternehmen, die keine eigene IT-Abteilung haben, sollten externe Expert:innen oder IT-Dienstleister einbinden, um eine sichere Implementierung zu gewährleisten. Viele No-Code- und Low-Code-Plattformen bieten zudem integrierte Sicherheitsmechanismen und Compliance-Richtlinien, die auch für kleinere Unternehmen eine Orientierung bieten. Strukturierte Governance stellt sicher, dass Innovation gefördert wird, ohne die Kontrolle über IT-Prozesse zu verlieren. Strukturierte Governance stellt sicher, dass Innovation gefördert wird, ohne die Kontrolle über IT-Prozesse zu verlieren.
- Mit kleinen Pilotprojekten starten
Wer direkt mit einem komplexen System beginnt, wird schnell ausgebremst. Besser sind kleine, praxisnahe Lösungen, die schnelle Erfolge bringen – das motiviert und schafft Vertrauen.
Herausforderungen meistern: So gelingt der Wandel
Natürlich bringt Citizen Development auch Herausforderungen mit sich. Sicherheitsrisiken und Schatten-IT sind reale Gefahren, wenn Mitarbeitende unkontrolliert eigene Lösungen entwickeln. Schatten-IT bezeichnet dabei die Nutzung von IT-Systemen oder -Anwendungen, die nicht von der offiziellen IT-Abteilung des Unternehmens genehmigt oder kontrolliert werden. Doch hier liegt auch die Chance: Statt den Trend zu verhindern, sollten Unternehmen ihn strategisch begleiten.
Indem Unternehmen klare IT-Richtlinien definieren und die IT-Abteilung als unterstützenden Partner statt als Kontrollinstanz positionieren, lassen sich Sicherheitsrisiken minimieren und Innovationen gezielt steuern. Wer zudem auf skalierbare Plattformen setzt, verhindert Abhängigkeiten von einzelnen Tools und kann seine Lösungen flexibel weiterentwickeln.
Fazit: Mit No-Code die Weichen für KI stellen
No-Code und Low-Code sind der ideale Einstieg in die Welt der Künstlichen Intelligenz – praxisnah, ohne hohe Investitionen und direkt umsetzbar. Es geht nicht darum, IT-Expert:innen zu ersetzen, sondern Mitarbeitenden die Möglichkeit zu geben, datenbasierte Prozesse effizienter zu gestalten und KI-gestützte Lösungen schrittweise zu integrieren. Gleichzeitig steigt die Datenkompetenz im Unternehmen, da Mitarbeitende lernen, strukturierte Daten für Automatisierung und KI-Analysen zu nutzen. Unternehmen, die früh auf No-Code setzen, sparen Kosten, reduzieren Abhängigkeiten von externen Dienstleistern und schaffen die Grundlage für eine zukunftsfähige, KI-gestützte Digitalisierung.
Doch wo anfangen? Eine wertvolle Unterstützung bietet das Mittelstand-Digital Zentrum Berlin, das praxisnahe Hilfestellungen, Leitfäden und Webinare rund um digitale Lösungen für mittelständische Unternehmen bereitstellt. Wer Inspiration sucht, kann sich zudem auf der Plattform für Digitale Projekte der Initiative umsehen – dort finden sich spannende Good Practices und konkrete Beispiele dafür, wie Unternehmen Low- und No-Code Projekte bereits erfolgreich einsetzen.
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Text: Alexander Krug